Massenstrom-Richtlinie. Schon mal gehört?
Beitrag 4: 40 Jahre Rechtshilfe München
Noch viel zu wenig bekannt: Asylpraxis contra Massenzustrom-Richtlinie
Für die Geflüchteten aus der Ukraine, anders als für Geflüchtete aus Syrien, dem Irak oder anderen Kriegsregionen wird erstmals die Massenzustrom-Richtlinie der EU angewendet, obwohl diese bereits 2001 (!) verabschiedet wurde.
Ziel der Richtlinie ist es, Mindestnormen für die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen aus Drittländern, die nicht in ihr Herkunftsland zurückkehren können, festzulegen.
-> Asylpraxis: Ziel der Asylpraxis ist es, den Zustrom von Asylsuchenden europaweit zu verhindern bzw. durch Abschreckungsmaßnahmen und extraterritoriale Abkommen stark zu begrenzen.
Beschließen kann die Anwendung der Richtlinie nur der Rat der Europäischen Union, weil mit dem Beschluss auch ein Verteilerschlüssel, ein Mindeststandard der Unterbringung und die finanzielle Unterstützung durch den europäischen Asyl-Migrations- und Asylfonds (früher europ. Flüchtlingsfonds) einhergeht.
-> Asylpraxis: Das Schengen- und damit das Dublinsystem wendet die Drittstaatenregelung an, die die Länder an den europäischen Außengrenzen stark benachteiligt. Außerdem wird in Deutschland das Konzept der „innerstaatlichen Fluchtalternative“ angewendet. Ein Verteilerschlüssel wird immer wieder propagiert, scheitert aber am Widerstand vieler Länder.
Personen, die unter die Richtlinie fallen, haben Zugang zum Arbeitsmarkt und müssen nicht in Aufnahmeeinrichtungen untergebracht werden.
-> Asylpraxis: Alle Asylsuchenden müssen ihr Asylverfahren in sog AnkERZentren abwarten, in Lagersystemen, die eine Integration verhindern sollen, Arbeitsaufnahme ist grundsätzlich verboten, Ausnahmen bestehen bei Lehrstellen für Jugendliche.
Die Aufnahme ist befristet auf maximal 3 Jahre, kann aber in Einzelfällen verlängert werden.
-> Asylpraxis: Nach Abschluss des (negativen) Asylverfahrens muss wieder ausgereist werden. Falls Hinderungsgründe entgegenstehen, kann eine befristete Duldung erteilt werden. Diese bedeutet aber mitnichten eine Planungssicherheit, die Duldung muss kurzfristig immer wieder verlängert werden.
Bei der Familienzusammenführung werden die Interessen des Kindes berücksichtigt.
-> Asylpraxis: Durch die Drittstaatenregelung ist entscheidend, in welches Land jemand zuerst einreist, nicht wo die Familie wohnt. Oft sind aber auch Fälle bekannt geworden, wo Jugendliche von der Familie getrennt untergebracht werden.
Es bleibt den ukrainischen Geflüchteten unbenommen, einen Asylantrag zu stellen. Das kann nach Ablauf der 3 Jahresfrist von Bedeutung werden.
Die Rechtshilfe wird alle ukrainischen Geflüchtete dabei unterstützen, dass die beschlossenen Standards eingehalten werden. Dabei werden wir weiterhin die menschlichen Unwürdigkeiten der Asylpraxis anprangern und die Betroffenen in ihren Verfahren unterstützen.
Wir finden: Die Massenzustrom-Richtlinie ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber es eine unwürdige doppelte Moral der EU, sie nicht auf andere Geflüchtete anzuwenden. Wir fordern eine Gleichbehandlung der Geflüchteten aus allen Ländern.